Vom Völkerrecht bis ins „Private”
Vom 7. bis 9. Juni 2024 fand in Marburg die 4. Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft in Marburg unter dem Motto Gesellschaft feministisch (um)organisieren – Vom Völkerrecht bis ins „Private” statt. Die Schirmherrschaft hatte in diesem Jahr Prof’in Dr.‘in Stefanie Bock, Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Rechtsvergleichung, inne.
Wie auch in den vergangenen Jahren hat sich die Akademie in diesem Jahr zum Ziel gesetzt, juristische Themen aus einer feministischen Perspektive zu betrachten und das im Studium oftmals vernachlässigte gesellschaftskritische Denken in den Mittelpunkt zu stellen.
Track 1 befasste sich inhaltlich mit der Dekolonisierung aus afrikanisch-feministischer Perspektive, der europarechtlichen Erfassung geschlechtsspezifischer Gewalt und der Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Der Gender-Bias im Völkerrecht und Völkerstrafrecht wurde u.a. rechtsvergleichend hinterfragt und feministische Theorien gemeinsam mit den Teilnehmenden erarbeitet.
In Track 2 wurde das Thema Queere Familienbildung und reproduktive Selbstbestimmung von FLINTA*-Personen hinsichtlich der aktuellen Rechtslage behandelt. Zunächst wurde eine Einführung zur rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung gegeben, wobei anhand von konkreten Fallstudien erörtert wurde, ob bei dieser Frage tatsächlich alle Familien gleich behandelt werden und an welchen Stellen das deutsche Abstammungsrecht reformbedürftig ist. Des Weiteren wurde ein Überblick über die hochaktuellen rechtspolitischen Themen Eizellspende und Leihmutterschaft zur Erfüllung eines Kinderwunsches gegeben. Die Legalisierung der Eizellspende wird in Deutschland aktuell von einer Kommission der Bundesregierung zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin diskutiert, was wir zum Anlass genommen haben, uns ebenfalls mit den Möglichkeiten der Legalisierung und der Regulierung auseinanderzusetzen.
Der dritte Track hat sich mit dem derzeit unkritisch übernommenen liberalen Demokratiebegriff mit seinen strukturellen Machtverhältnissen einer feministischen und intersektionalen Kritik befasst. Im Rahmen der Dekonstruktion des Demokratiebegriffs ist es von zentraler Bedeutung, die Historie des Begriffs zu beleuchten, die Aufteilung des Staates in Privatheit und Öffentlichkeit aufzudecken sowie aufzuzeigen, weshalb in der (neo)liberal-kapitalistischen Demokratie keine tatsächliche Gleichheit aller Personen hergestellt werden kann. Im Rahmen der zeitgenössischen Betrachtung wurden die Gefahren für die gegenwärtige Demokratie erörtert, wobei insbesondere der antifeministische, antisemitische und rassistische Rechtspopulismus thematisiert wurde. Zudem wurden Überlegungen zu einem revolutionär-feministischen Demokratieverständnis angestellt, welche als Lösungsansätze dienen können.
Der ausführliche Tagungsbericht kann in der STREIT 3/2024, S. 146 nachgelesen werden.
Das Programm:
Das Organisationsteam:
Hintere Reihe v.l.n.r.: Lola Witt, Hannah Schrief, Fabienne Grotefeld, Anna Schroer, Isabelle Umlauf, Pauline Philipps, N.N., Alida Bär, Lisa Becker, Carlos Appel, Sabrina Prem, Pascale Fett
Vordere Reihe v.l.n.r.: Lina Möller, Frederike Rotte, Johanna Buck, Friederike Schlüter, Claire Biecker, Jana Freiburg, N.N., Carolin Heinzel, Natalie Seifert
Nicht auf dem Foto: Yasmin Akan, Maleen Jagemann
Förderstellen:
Unterstützt wurde die Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft im Jahr 2024 durch das Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung an der Philipps-Universität Marburg, das Referat für Gleichberechtigung, Vielfalt & Antidiskriminierung der Stadt Marburg, die Abgeordnete des Hessischen Landtags Lara Klaes, den Allgemeinen Student*innen-Ausschuss (AStA) der Philipps-Universität Marburg sowie das Gleichstellungsbüro der Philipps-Universität Marburg.